Was ist das Impostor-Syndrom? Das quälende Gefühl, das 75% aller Führungskräfte kennen

Kennst du das Gefühl, wenn du in einem wichtigen Meeting sitzt und innerlich denkst: „Hoffentlich merkt niemand, dass ich eigentlich keine Ahnung habe“? Oder wenn du eine Gehaltserhöhung bekommst und sofort davon überzeugt bist, dass das ein riesiger Fehler war? Willkommen im Club – du leidest wahrscheinlich unter dem Impostor-Syndrom, und damit bist du in verdammt guter Gesellschaft. Die Psychologinnen Pauline Clance und Suzanne Imes beschrieben dieses Phänomen bereits 1978 wissenschaftlich, und heute wissen wir: Fast jeder kennt diese quälenden Selbstzweifel.

Was zum Teufel ist eigentlich das Impostor-Syndrom?

Das Impostor-Syndrom ist wie ein nerviger Mitbewohner in deinem Kopf, der ständig behauptet, du seiest ein Betrüger, der jeden Moment auffliegt. Obwohl du objektiv erfolgreich bist, fühlst du dich wie ein Hochstapler im Anzug, der irgendwie in die falsche Besprechung geraten ist. Ursprünglich konzentrierten sich die Forscherinnen auf erfolgreiche Frauen in akademischen Berufen, aber mittlerweile wissen wir: Das Ding macht vor niemandem halt.

Es ist im Grunde eine mentale Verzerrung, bei der dein Gehirn systematisch alle deine Erfolge kleinredet. Hast du ein Projekt erfolgreich abgeschlossen? War bestimmt nur Glück. Wurdest du befördert? Eindeutig ein Versehen der Personalabteilung. Bekommen deine Kollegen Lob für deine Idee? Na ja, war sowieso nicht so besonders. Dein Gehirn wird zum Vollzeit-Hater deiner eigenen Erfolge.

Die schockierenden Zahlen: Du bist definitiv nicht allein

Hier kommt die gute Nachricht, die gleichzeitig ziemlich erschreckend ist: Fast jeder kennt dieses Gefühl. Die Forschung zeigt eine riesige Bandbreite – je nach Studie und Zielgruppe sind zwischen 9 und 82 Prozent der Menschen irgendwann in ihrer Karriere davon betroffen. Diese krassen Unterschiede entstehen, weil verschiedene Studien unterschiedliche Definitionen und Messmethoden verwenden, aber die Grundaussage bleibt: Du bist nicht allein mit diesem Mist.

Eine KPMG-Studie aus dem Jahr 2022 fand heraus, dass satte 75 Prozent aller weiblichen Führungskräfte irgendwann in ihrer Karriere unter dem Impostor-Syndrom gelitten haben. Aber auch die Männer bleiben nicht verschont – die zeigen es nur seltener nach außen, weil sie denken, das gehört sich nicht.

Besonders heftig wird es in bestimmten Branchen: Eine aktuelle Studie zeigte, dass 60 Prozent der Befragten aus Medien, PR und Marketing regelmäßig unter Impostor-Gefühlen leiden. Für die Hälfte von ihnen wirkt das Syndrom wie eine echte Karrierebremse. Das ist, als würde die Hälfte aller Rennfahrer permanent mit angezogener Handbremse fahren!

Die fiesen Symptome: Erkennst du dich wieder?

Das Impostor-Syndrom tarnt sich perfekt als „normale“ Bescheidenheit, aber es ist viel gemeiner. Der Glück-Reflex lässt dich jeden Erfolg auf Glück, perfektes Timing oder die richtige Konstellation der Planeten zurückführen – nur nicht auf deine eigenen Fähigkeiten. Dazu kommt Perfektionismus auf Crack: Du arbeitest dreimal so lange an Projekten, weil sie „noch nicht gut genug“ sind, während andere längst zufrieden wären.

Die Entlarvungsparanoia lässt dich in ständiger Angst leben, dass jemand herausfindet, dass du „eigentlich gar nichts kannst“. Wenn dir jemand sagt, du hättest großartige Arbeit geleistet, startest du sofort eine Verteidigungsrede darüber, warum das nicht stimmt. Der Vergleichswahn rundet das Ganze ab: Du schaust ständig zu anderen und denkst: „Die sind alle so viel besser als ich“ – dabei siehst du nur deren Highlight-Reel, nicht deren Chaos.

Warum unser Gehirn uns so fies sabotiert

Unser Gehirn meint es eigentlich gut, aber beim Impostor-Syndrom benimmt es sich wie ein überfürsorglicher Elternteil, der uns vor allem Bösen beschützen will – auch vor unserem eigenen Erfolg. Die Wissenschaft hat herausgefunden, dass mehrere psychologische Mechanismen gleichzeitig auf uns einprügeln.

Der Attributionsfehler ist Psychologen-Sprech für „Wir sind Meister darin, Erfolge falsch zuzuordnen“. Erfolge sind immer äußere Umstände, Misserfolge sind immer unsere Schuld. Es ist, als hätten wir einen Bug im mentalen Betriebssystem, der Erfolge nicht richtig verarbeiten kann. Soziale Vergleichsprozesse verstärken das Problem: In leistungsstarken Umgebungen schauen wir ständig zu anderen rüber und denken: „Wow, die wirken alle so selbstsicher und kompetent.“ Was wir dabei übersehen: Die anderen zweifeln wahrscheinlich genauso an sich selbst.

Besonders gefährdete Gruppen: Wer es härter trifft

Das Impostor-Syndrom ist zwar ein Gleichmacher, aber manche Gruppen erwischt es härter. Frauen in männerdominierten Bereichen kennen das Gefühl häufiger, genau wie Menschen mit Migrationshintergrund oder die ersten in ihrer Familie, die studiert haben. Es ist, als müssten sie nicht nur ihre Arbeit machen, sondern gleichzeitig beweisen, dass sie überhaupt dorthin gehören.

Auch Hochbegabte und Perfektionisten sind besonders anfällig – vermutlich, weil sie gewohnt sind, dass ihnen vieles leichtfällt, und dann in der Berufswelt plötzlich merken, dass andere auch ziemlich schlau sind. In akademischen und kreativen Berufen kommt das Syndrom ebenfalls häufiger vor, wahrscheinlich weil dort Leistung oft subjektiver bewertet wird.

Wenn das Syndrom zur Karriere-Vollbremsung wird

Das Impostor-Syndrom ist nicht nur ein nerviges Gefühl – es kann deine Karriere richtig sabotieren. Menschen mit ausgeprägten Impostor-Gefühlen verhalten sich wie ihre eigenen schlimmsten Feinde: Sie bewerben sich seltener auf höhere Positionen, weil sie denken: „Dafür bin ich nicht qualifiziert genug“ – obwohl sie alle Voraussetzungen erfüllen. Sie melden sich in Meetings seltener zu Wort, obwohl sie brillante Ideen haben. Sie lehnen spannende Projekte ab, weil sie Angst haben zu versagen.

Das Verrückte dabei: Gerade die Menschen, die unter dem Impostor-Syndrom leiden, sind oft die kompetentesten. Es ist wie beim Dunning-Kruger-Effekt, nur umgekehrt – die wirklich Fähigen unterschätzen sich selbst, während die Ahnungslosen vor Selbstvertrauen strotzen. Der chronische Stress durch ständige Selbstzweifel kann zu ernsthaften gesundheitlichen Problemen führen. Von Schlafstörungen über Burnout bis hin zu Depressionen – das Impostor-Syndrom ist alles andere als harmlos.

Der erste Schritt: Das Monster entzaubern

Die gute Nachricht ist: Das Impostor-Syndrom ist kein unabwendbares Schicksal. Es ist auch keine offizielle psychische Störung, sondern ein weit verbreitetes Muster, das völlig normal ist. In gewissem Maß kann es sogar nützlich sein – ein bisschen Selbstreflexion und Bescheidenheit schadet nicht. Problematisch wird es erst, wenn es dich lähmt.

Der erste Schritt ist die Erkennung. Es ist wie bei einem Zaubertrick – sobald du verstehst, wie er funktioniert, verliert er seine Macht über dich. Wenn du merkst, dass dein innerer Kritiker wieder anfängt zu meckern, kannst du ihn beim Namen nennen: „Ach, hallo Impostor-Syndrom, da bist du ja wieder.“

Ein wichtiger Realitätscheck: Wenn du dir ernsthaft Sorgen machst, nicht gut genug zu sein, dann bist du wahrscheinlich schon besser als die meisten. Menschen mit echten Kompetenzproblemen machen sich normalerweise keine Gedanken darüber. Die Forschung zeigt sogar, dass Menschen, die gelegentlich an sich zweifeln, oft empathischer und selbstreflektierter sind.

Warum du trotzdem ein Rockstar bist

Hier ist die Wahrheit, die dein Impostor-Gehirn nicht hören will: Du bist nicht durch Zufall da, wo du bist. Unternehmen sind nicht in der Gewohnheit, ihr Geld für Glückspilze rauszuwerfen. Deine Chefs sind auch nicht alle blind oder inkompetent. Wenn du befördert wirst, liegt das daran, dass jemand deine Arbeit geschätzt hat. Wenn deine Projekte erfolgreich sind, liegt das an deinen Fähigkeiten, nicht am Wetter.

Das Schöne am Impostor-Syndrom ist paradoxerweise, dass es oft ein Qualitätsmerkmal ist. Wirklich inkompetente Menschen leiden selten darunter – die sind meist felsenfest von ihrer Großartigkeit überzeugt. Wenn du dich fragst, ob du gut genug bist, zeigt das bereits, dass du nachdenklich und selbstkritisch bist – beides wichtige Eigenschaften für beruflichen Erfolg.

Das nächste Mal, wenn dein innerer Kritiker wieder anfängt zu quengeln, erinnere dich daran: Du bist hier, weil du kompetent bist. Deine Erfolge gehören dir. Und nein, es war nicht nur Glück – es warst du. Auch wenn dein Gehirn das anders sieht, die Fakten sprechen eine klare Sprache: Du rockst das, auch wenn du es selbst nicht merkst. Falls du immer noch denkst, dass du ein Hochstapler bist: Herzlichen Glückwunsch, du gehörst wahrscheinlich zu den Guten. Echte Hochstapler haben normalerweise nicht die Selbstreflexion, um sich darüber Gedanken zu machen.

Wann schreit dein innerer Hochstapler am lautesten?
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